Da ich immer schon ein Freund leicht verrückter Ideen bin, freute ich mich sehr, als ich vom Midsummer Event unseres Cycling Club Düsseldorf erfuhr. Am längsten (Sonn)tag des Jahres 300 Kilometer fahren….klingt lustig und machbar. Da ich 2 Wochen später die L´Etape du Tour 2018 in Frankreich fahren wollte und dies nun gar nicht in meinen Trainingsplan, zwischen 2 Kleinkindern und der Arbeit passte, musste ich das NATÜRLICH machen. Die Regierung gab grünes Licht, mein bester Freund Christian würde auch mitfahren. Auch meine unzähligen versäumten Trainingsfahrten des CCD, da nicht kompatibel mit meiner aktuellen Lebenszeitplanung, mussten schließlich aufgeholt werden.
Sonne/Wolkenmix verhieß angenehmes Radeln
Das Wetter spielte mit und es war nicht zu heiß: ein Sonne/Wolkenmix verhieß angenehmes Radeln. Der Wind sollte jeoch noch Körner kosten. Ein paar Tage vor dem Event gab es auch die finale Route per GPX und schnell wurden Verpflegung und eine optimierte Belastung der Gesamtstrecke per BestBikeSplit geplant. Als Verpflegung ein paar Gels/Guava Luncho Dillos mit Koffein, wenn man müde wird und schnell Energie braucht. Ebenfalls bereitete ich mir mein 2:1 Maltodextrin:Fructose mit ein wenig BCAAs und etwas Salz als Getränkepulver für 300 Kilometern zu. Ganz schön viel Pulver.
Start mit Eskorte der Verkehrswacht Düsseldorf
Am Startpunkt viele bekannte Gesichter und auch ein ganzes Peloton von Grenzfahrern vom Grenzfahrer e.V. aus Willich. Für mich Radsport-„Neuling“ sahen die schon sehr trainiert und professionell aus. Und dann ging es los. Markus und Alex wurden freundlich, aber bestimmt von Stephan in die erste Reihe gebeten und die Verkehrswacht Düsseldorf geleitete uns mit zwei Wagen bis zur Stadtgrenze aus Düsseldorf hinaus. Herrlich, mal in einer geführten Kolonne mit Autokorso zu fahren….ich glaube, das muss ich nochmal machen.Und dann war das Auto weg und es ging in die nord-östlichen Hügelchen um Mettmann, Velbert und Heiligenhaus. Naja, eigentlich ging es hauptsächlich die Trasse hoch….und wie!
Richtiges Pinkeln will gut überlegt sein
Da nicht nur bei mir, sondern anscheinend auch bei den Grenzfahrern die Blase drückte, rief auf einmal einer der Truppe laut „Pinkelpause“. Ich stoppte mit und sah das Peloton in der Ferne verschwinden….ja, das Tempo war immer noch Tempo, kein Geballer, aber lange sollte man hier nicht verweilen. Denn der Anschluss erleichtert die Weiterfahrt doch um ein wesentliches.
Was ich dann erlebte, erfüllte mein Rennfahrerherz mit großer Freude. Es wurde endlich mal richtig Druck aufs Pedal gegeben.
Die Grenzfahrer sprangen alle auf ihr Rad. Es soll noch nicht jugendfreie Motivationsleitsätze gegeben haben und schon hatte einer eine Pfeife im Mund und wir schossen die Trasse mit 45 Km/h hoch. Herrlich! Der Anschluss war so in unter 2 Minuten wieder hergestellt und es ging in gemütlichem auf und agemütliches auf und ab im großen Peloton ohne Verluste bis zur Fähre nach Zons. Leider ereilte hier die „Nichtpinkler“ ein Selbstorganisationsschicksal. Es sah in der Anfahrt auf die Fähre so aus, als ob diese schon abgelegt hätte. So sprangen viele vom Rad in die Büsche, um nach 4 Stunden Tempo die Blase endlich mal zu entleeren.
Aber die Fähre wartete auf uns Peloton, aber nicht auf die Pinkler und so gab es die erste große Gruppentrennung – leider. Von da an ging es weiter Richtung Allrath noch mit Querwind und immer noch Markus und Alex in der Führung, jetzt von Grenzfahrern unterstützt in der Führungsarbeit.
Allrather Höhe: die langsame Gruppe wird überrundet
An der Allrather Höhe holten wir die früher gestarteten „Langsamen“ Fahrer im Anstieg ein. Damit hätte ich nach etwas mehr als 5 Stunden noch nicht gerechnet. Es wurde sich angefeuert und so mancher schloss sich dem „schnellen“ Peloton an.
Nach der Allrather Höhe bekam ich noch mit wie neben mir die erste Speiche riss und dies ein DNF von einem Mitfahrer bedeutete. Bis dahin hatten wir gefühlt noch keinen Ausfall gehabt. Doch jetzt wurde das Feld, besonders als wir Richtung Norden drehten, langsam kleiner. Denn der Wind kam direkt aus Nord-Nord-West und es durfte sich im Peloton versteckt werden, aber über die etlichen Überführungen wurde schon mit etwas mehr Druck gefahren. Und das kostet nach 6 Stunden und ca. 1000 Höhenmetern schon Kraft. So manch einer dachte sich da, aus gutem Grund, die Körner brauche ich noch später.
Da auch meine Trinkflaschen schon länger leer waren und ich im Roadbook die Tankstelle bei Kilometer 150 überlesen hatte freute es mich umso mehr, dass mir irgendwann jemand von hinten „Tankstelle“ in die Ohren brüllte, gerade als ich es mir in der Führung mal gemütlich gemacht hatte.
Die Grenzfahrer hatten eine eigene Verpflegung nahe Willich organisiert, welche wir jedoch mit dem gesamten Peloton nicht sprengen wollten. Somit gab es hier die zweite große Gruppentrennung.
Gute Führungsarbeit von Markus Haag
Jetzt bestand mein Peloton noch aus ca. 18 Fahrern und 2 Fahrerinnen. Ab jetzt wurde sich auch häufig in der Führungsarbeit abgewechselt, denn der Wind kam nun komplett von vorne und es waren noch 70 Kilometer bis zum ersehnten Einlenken Richtung Süd-Ost. Ab da, so mein Plan, würde die Führungsarbeit eh von allen gerne gemacht. Es motiviert einfach viele mehr 40 Km/h auf dem Tacho zu sehen als 250 Watt bei 30 Km/h. Jetzt wurde es richtige Arbeit vorne. Aber wer war immer vorne zu finden und sehr selten nur in den hinteren Reihen? Richtig – Markus! Was Markus an diesem Tag an Führungsarbeit leistete war unfassbar. Alex Fiedler war auch echt stark und immer wieder vorne mit dabei, aber Markus…..der war gefühlt immer vorne. Nochmals von mir ein großes DANKE für die gute, lange und sehr dosierte Führungsarbeit an Markus Haag.
Nach 200 Kilometer: Pommespause
Noch ca. 20 Kilometer bis wir gen Düsseldorf in den Rückenwind abdrehen, da kommt Peter nach vorne zu mir uns sagt: „Der Grenzübergang ist super. Da gibt es einen Supermarkt und eine Pommesbude. Pause würde ich sagen!“
Oh welch schönes Wort – Pause – Gerade wenn man 200 Kilometer in den Beinen hat. Die angenehme Temperatur und der Wind ließ einem die Trinkflasche quasi leerlaufen. Also wurde gestoppt. Große Pause Nummer 2: Flaschen nachfüllen, Cola trinken. Der ein oder andere gönnte sich tatsächlich eine Pommes mit Majo. Auch ich durfte mal 1-N Pommes mit Majo probieren….ich glaube Pommes haben mir vor diesem Moment noch niemals so gut geschmeckt.
Aber schnell wieder den Kopf einschalten. Nein, zu viel Fett, das rächt sich später! Also wieder auf kurze Kohlehydrate (Cola etc.) und meine Getränkemischung mit langkettigen Kohlehydraten (Maltodextrin) zurück. Die Grenzfahrer überholten uns bei der Pause und es wurde in Profimanier Pommes „On the fly“ gereicht. Die Stimmung war super. Kurz vor der Weiterfahrt holten uns auch noch ein paar Abgehängte ein. Da diese jedoch noch eine Pommes essen wollten und wir im Aufbruch waren, gab es leider keinen Zusammenschluss.
Nach 9 Stunden endlich Rückenwind: leider mit unnötiger Tempoverschärfung
Dann ging es weiter auf besten holländischen Strassen. Leider immer noch gegen den Wind. Ich beteiligte mich auch immer mehr an der Führungsarbeit und ersehnte den Moment, in dem wir die Windräder endlich wieder von vorne sehen. Und da war es geschafft. Wir bogen nach 9 Stunden in Twisteden ab. Markus und ich winkten die Meute durch. Ab jetzt dürft ihr auch mal arbeiten. Leider machten das dann auch alle. Warum leider? Naja. Jetzt wurde das Tempo dermaßen verschärft, dass wir teilweise wie eine Perlenkette aufgezogen die Straße mit 40 Km/h langdonnerten. Etliche Versuche von Dieter und anderen, diese Kraftverschwendung frühzeitig einzugrenzen wurden überhört. Es wäre auch ok gewesen, gemütliche 35 nach Hause zu fahren. Der 30er Schnitt war sicher. Es gab also, außer nem Blumentopf nix zu gewinnen. Man sollte als starker Fahrer nach 240 Kilometer ebenfalls die Fahrer eher schützen, wenn man 10 Stunden im Sattel sitzt. Da muss wirklich keiner mehr zeigen, dass er richtig Ballern kann. Somit verloren wir immer wieder ein paar Fahrer. Ich ließ mich ebenfalls nach hinten fallen, um dort dann nach Kurven den benötigten „Lead-out“ zurück zur Gruppe zu geben. Denn auch nach Kurven wurde irgendwie stärker als vorher angezogen. Für schwindende Kraft der Führenden sprach auch die ein oder andere verpasste Richtungs-änderung. Es hilft der Gruppe wenig, wenn schnell gefahren und die Navigation vernachlässigt wird. Aber alles in allem war es super schnell und irgendwie stieg mit den schwindenden Kilometern bis die Route zu Ende war auch die Stimmung sprunghaft.
Deutsche Bahn: Danke für die kleine Zwangspause vor dem Ziel Schicke Mütze
Dann die 3. Große Pause. Ungewollt hatte die Deutsche Bahn mal wieder eine Sonntagsschranke ca. 20 Minuten geschlossen um ganze 4 Züge in einem Abstand von 5 Minuten pro Zug an uns vorbei zu schicken. Ich fand es sehr gut. Pinkelpause und eine gute Möglichkeit in den verbleibenden 14 männlichen und 2 weiblichen Gesichtern mal nach Erschöpfung zu suchen….Fehlanzeige! Alle waren 22 Kilometer vom Ziel entfernt. Die Gruppe war unfassbar gut drauf.
Als wir in Düsseldorf Richtung Kniebrücke fuhren, fiel das 16 Personen starke Peloton dann leider etwas auseinander. Manche nahmen den Radweg, andere die Straße. Ampeln, 2 Kniebrückenseiten und etwas Warten unter der Kniebrücke auf der Apolloseite führten dann zu einem kleineren Peloton. Noch einer wollte nur noch nach Hause, aber ich entschied mit den verbleibenden Mitfahrern natürlich zur Schicken Mütze ins Ziel zu fahren. Hier warteten Stephan Hörsken und Chris Durham (Dank an Orga, Strecke, Marketing und überhaupt für alles, was es an diesem Tag möglich gemacht hat) und bereiteten uns mit einem riesigen Applaus eine Ankunft, welche ich lange nicht vergessen werde – DANKE.
Das Team der Mütze ließ sich auch mal wieder nicht lumpen und trumpfte alles auf, was man sich nach solch einem langen Tag im Sattel nur wünschen kann. Rote Linsen, Nudeln, Kartoffeln, Brot mit Dips, in welche ich mich gerne reingelegt hätte. Alle, die noch nicht wissen wie toll das Essen in der Schicken Mütze ist, denen empfehle ich sehr, mal zum Mittagstisch dort essen zu gehen. Ein Traum. Nach 4 Tellern Kohlehydraten und einem Uerige gönnte ich mir noch einen großen Espresso, um dann glücklich nach Hause zu fahren.
Was für ein Tag!
Besondere Lobsprechung möchte ich hier nochmals an Markus und Alex verteilen. Danke für das gute Führen der Gruppe über den ganzen Tag. Auch 2 Rennradneulinge fuhren in unserem Peloton den ganzen Tag mit. Laurits und Christian haben beide dieses Jahr mit dem Rennradfahren angefangen und beide haben die 300 Kilometer in der Gruppe geschafft. Hierfür nochmal ein ganz großes Lob. Nächstes Jahr bin ich bestimmt wieder dabei. Vielleicht schaffen wir es ja, eigene Verpflegungspunkte bei 1/3 und 2/3 der Strecke einzurichten. Dies würde Gruppentrennungen eindämmen und gerade bei dieser Streckenführung könnte dies durch ein Verpflegungsteam geleistet werden.
Text: Malte Paulat
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