Mein erstes mal bei Lüttich Bastogne Lüttich

“The important thing in Life is not triumph, but the struggle…”

pierre-de-coubertin

Das Ziel wurde Anfang des Jahres gesetzt: Ende April wird die 266 km Strecke von LBL (Lüttich-Bastogne-Lüttich)
gefahren!

Dass es anstrengend wird, war schon da klar, aber …

Die Grundlage hab ich im Winter gelegt. Regelmäßige Ausfahrten um die 70km zum Teil bei
Minusgraden. Wäre das Ziel nicht LBL gewesen, wäre ich sicherlich das ein und andere mal
auf der Couch geblieben oder hätte mich nicht aus der Arbeit in die Winterklamotten
gequetscht um loszuradeln. 8 Wochen vor LBL ging es dann ans Eingemachte. 2-3 mal die
Woche Intervalltraining, am Berg, mit regelmäßigen Ausfahrten. Das Highlight war hier
Ende März das CCD Trainingslager auf Mallorca. Top Wetter, nette Mitfahrer und viele
Berge zum Trainieren. Die Fitness war also gesetzt und ich fühlte mich gut und bereit für
Lüttich-Bastogne-Lüttich. Eine Woche vorher war allerdings schon abzusehen dass das Wetter schlecht bis
miserabel werden würde. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, aber sie starb.

6:00 Uhr Morgens. Start in Lüttich. Noch kein Regen

Um 6:00 Uhr morgens ging es zusammen mit Jan Voges auf die Tour. Die Stimmung war gut
und es wurde eher entspannt aus Lüttich Richtung Bomal herausgefahren. Die ersten
Warm-up Anstiege konnten zügig gefahren werden und man merkte dass man doch im
Vergleich zu den anderen gut voran kommt. Ab Km 60 kam dann das erwartete Wetter sehr
heftig mit dem ersten Platzregen. Die „Tor-Tour“ konnte beginnen.

Wo ist denn hier bitte der Rücktransport?

Ich hatte kein Bock mehr! Hätte es an der Verpflegungsstation in Bastogne einen Bus
mit der Aufschrift “Liege“ gegeben , ich wäre eingestiegen. Mittlerweile war ich nass bis auf
die Haut und angeblich waren es jetzt nur noch ca. 5 Grad Celsius. Ich konnte nicht mehr aufhören zu zittern.
Den besagten Bus gab es aber nicht, also bin ich mit Jan weiter gefahren. Der schien die
Kälte besser weg zu stecken und ich hatte vereinzelt Mühe dran zu bleiben. Ich war
echt gut vorbereitet, aber der Regen zusammen mit der Kälte haben mir die Kräfte geraubt.
Warm wurde es dann wieder bei dem ersten ernstzunehmenden Anstieg, dem “Cote de St.
Roche”. Mit seiner Länge von 457m nicht unbedingt lang, aber die stellenweise 18 Prozenz Steigung gaben schonmal
einen Vorgeschmack was einem noch bevorstand an diesem Tag.

Ein Lichtblick

Nach 144 km erreichten wir Gouvy und damit die dritte Pause. Ich konnte es kaum glauben,
aber da war tatsächlich Sonne. Also erstmal die Schuhe ausziehen, Socken auswringen, Wasser
heraus giessen, Handschuhe auswringen und die Regenjacke einpacken, um etwas zu
trocknen. Schon erstaunlich wieviel Energie und Lust einem die Sonne schenken kann.
Etwas gestärkt und bei sonnigen 13 Grad ging es weiter. Eigentlich war aber klar dass das schöne Wetter nur
von kurzer Dauer sein wird. Und so war es auch. Irgendwo zischen “Cote Mont le Soie” und
“Cote de Wanne” fing es wieder an ordentlich zu regnen, vereinzelt auch zu hageln. Die
Temperaturen fielen, laut meinem Wahoo Navigationsgerät, auf 3 Grad Celsius. Und so war auch die Tendenz bis
zum Schluss: Regen, Sonne, Regen, Sonne.

Durchhalten

Der Flandrische Löwe: schützt auch nach 266 km den Po noch vor Nässe

Der Flandrische Löwe: schützt auch nach 266 km den Po noch vor Nässe

Die immer wiederkehrenden Regenschauer und die Anstrengungen haben mir dann doch
zugesetzt. Ich weiss nicht genau ab wann, aber irgendwo beim “Cote de St. Roche” haben
meine Hände ihre Kraft verloren. Der linke Daumen verweigerte seine Arbeit, die Campa-
Schaltung war einfach nicht zu bedienen. Auch die anderen Finger beider Hände waren taub und nicht wirklich zum
Schalten geeignet. Den Schalthebel für den Umwerfer musste ich also mit der rechten Hand
“ziehen” und der Rest ging irgendwie mit der Handkante oder dem Handballen. Heute weiss
ich dass es eine Überreizung der Nerven am Karpaltunnel war.  An irgendwelche
persönlichen Rekorde oder Bestzeiten war überhaupt nicht mehr zu denken, es ging nur
noch ums Durchhalten…egal wie. Ich war froh dass ich zumindest bremsen und das Rennrad
festhalten konnte.

Endspurt

Immer schön der Reihe nach: Steigung für Steigung

Immer schön der Reihe nach: Steigung für Steigung

Die letzten 100 Km hatten es dann auch in sich. “Cote de Stockeu” mit seinem Teilstück von
19% war kurz aber fies. An der Kehre thronte das Eddy Merckx Monument. Auf dem Weg
zum Redoute bin ich beinahe mit einem Fußgänger zusammengestoßen, wobei mein
Hinterrad fast ausgebrochen ist. Zum Glück ist nix passiert und somit somit hieß es „hoch auf den
Hügel“…dachte ich zumindest. Nicht lange hat es gedauert bis mir französische
Rennradfahrer zu verstehen gegeben haben, dass ich falsch bin. Also wieder runter und auf
die  “La Redoute”. 1,7 Km schraubt man sich hier vorbei an den belgischen Fans,
die sich schon auf das Rennen am nächsten Tag einstimmen. Wie gerne hätte ich auch ein
Jupiller Bier getrunken, aber das hätte mir an dem Tag sicher nicht geholfen das Teilstück von 17 Prozent Steigung zu
bewältigen, ohne abzusteigen. Meine Belohnung musste “nur” noch 40km warten. Ich habe
ab nun jeden Kilometer runtergezählt. Auch wenn mein ganzer Körper nicht mehr wollte,
war der Geist noch willig das Ding “nach Hause” zu fahren.

Geschafft

Matthias Menzel und Jan voges nach 266 Km und 4520 Höhenmeter endlich erschöpft im Ziel

Matthias Menzel und Jan voges nach 266 Km und 4520 Höhenmeter endlich erschöpft im Ziel

Um ca. 19:30 Uhr und nach 11:20 Stunden “Bewegungszeit” war es geschafft. Jan und ich
überquerten die Ziellinie und holten uns das verdiente Siegerbier. Aber bereits einen
Kilometer vor dem Ziel wurde mir langsam klar, was ich hier geschafft habe: mir stand
tatsächlich Wasser in den Augen. Natürlich nur wegen dem Fahrtwind.

Rückblickend: es war echt hart, nicht nur physisch sondern vor allem mental. Die Bedingungen taten mir nicht gut, und es war ein ständiger Kampf im Kopf: nicht aufgeben und abbrechen. Ich werde manchmal gefragt, ob ich es nochmal machen
würde. Zugegeben, ich bin noch etwas zögerlich mit dem “Ja”. Es ist aber eine super Motivation, über den Winter am Ball zu bleiben, und eine klasse Challenge.

Chapeau an Jan Voges, der das alles echt gut gemeistert und in kumpelhafter
Manier an jedem Anstieg auf mich gewartet hat. Es macht dann doch mehr Spass, zu zweit
zu fahren und vor allem mit dem “Analyse-Bier” anzustoßen. Vielen Dank dafür.

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